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Rechtsextremismus -

Die Gefahr ist schon lange bekannt, aber nicht gebannt!

 

Aufgrund unserer Geschichte von Stadt und Volkswagen haben wir eine besondere historische Verantwortung in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und menschenfeindlichem Denken und Verhalten.

 

Die Gründung der Stadt des KdF-Wagens und dem Volkswagenwerk im Jahr 1938 erfolgte auf Befehl von Adolf Hitler. Dabei unterscheidet sich diese Gründung und Entwicklung im Vergleich zu anderen Städten dadurch, dass von Beginn an das Leben der Menschen nach der Rassenideologie der Nazis ausgerichtet war. Das ganze Leben, von der Wiege bis zur Bahre, sollte davon bestimmt sein. Stadt und Werk waren also von Anfang an durchdrungen und beherrscht von dieser Ideologie. Rassismus, Antisemitismus, Menschenfeindlichkeit waren die Grundsätze, nach denen sowohl im Volkswagenwerk als auch in der Stadt regiert, verwaltet und Menschen behandelt wurden.

 

Nach der Kapitulation am 8. Mai 1945 war dieses Denken und Verhalten nicht einfach von einem Tag auf den anderen verschwunden. Dies war weiterhin vorhanden, in Wolfsburg sogar in stärkerem Maße als anderswo. Bei der zweiten Kommunalwahl nach dem Krieg, am 28. November 1948 war es in Wolfsburg der rechtsextremen DRP (Deutsche Reichspartei) gelungen, mit 64,25 Prozent der Stimmen 17 von 25 Ratsmandaten zu erobern (SPD: 6, CDU: 2). In diesen Jahren lag das rechtsextreme Wählerpotential in WOB weit über 50 Prozent.

Von dem Verbot bzw. dem Niedergang der rechtsextremen Partei profitierte in WOB die CDU. Erzielte sie bis 1951 bei den Kommunalwahlen um 15 Prozent, so kam sie ab 1952 auf 34 Prozent der Stimmen.

 

Mit der Staatsgründung der Bundesrepublik 1949 konnten neue Fakten in der Frage Entnazifizierung geschaffen werden. Dabei spielte der Beginn des Kalten Krieges eine zentrale Rolle: In dem Maße, wie die Westdeutschen im Zuge des Kalten Krieges und der Diskussion um eine deutsche Wiederbewaffnung den Eindruck gewannen, gebraucht zu werden, verstärkte sich der Druck auf die Politik, um weitergehende gesetzgeberische Maßnahmen zur Integration ehemaliger Nationalsozialisten zu erreichen.

In den Jahren 1951 bis 1953 kam es zu einer massiven Kampagne mit der Parole: "Erst Generalamnestie, dann Generalvertrag", die Erfolg hatte und ein Amnestiegesetz durch den Bundestag verabschiedet wurde. Danach wurde die überwiegende Zahl der NS-Verbrecher aus den Gefängnissen entlassen. Sie passten sich gezwungenermaßen den neuen Bedingungen an. Professoren konnten ihre früheren Positionen an den Universitäten, Richter an den Gerichten, Beamte in den Ministerien und öffentlichen Verwaltungen einnehmen Und frühere Offiziere der Reichswehr wurden für den Aufbau der Bundeswehr gebraucht. Für eine erneute politische Betätigung boten sich ihnen die sich neu entwickelten nationalsozialistischen Gruppen und Parteien im Umfeld der SRP und DRP (Sozialistische und Deutsche Reichspartei) an. Außerdem entwickelten sich für die politische Einflussnahme der ehemaligen NS-Eliten lockere Verbindungen in " Kreisen, Stammtischen" und "Clubs", ganz nach dem Vorbild der rechtsradikalen Intellektuellen der "konservativen Revolution" in den 1920er Jahren.

 

In den Fünfziger- und Sechzigerjahren gingen viele Alt- und Neonazis davon aus bald in ein Parlament einziehen zu können. Die Erfolgswelle der NPD, gegründet 1964, schien dies ab 1965 zu bestätigen, weil in einigen Bundesländern die NPD die Wahlhürde von 5 Prozent überschreiten konnte. Spätestens mit deren Scheitern bei der Bundestagswahl 1969 aber galt der parlamentarische Weg als fehlgeschlagen. Die Szene zerstritt sich völlig über die zukünftige Strategie. Teile der NPD setzten auf einen bürgerlichen Kurs und hofften auf Koalitionen mit der Union. Radikale und militante Neonazis spalteten sich von der NPD ab und griffen zu den Waffen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die " Hamburger Wehrsportgruppe Werwolf "und die "Wehrsportgruppe Hoffmann". Der blutigste rechtsextreme Anschlag wurde auf dem Oktoberfest 1980 verübt. Durch eine Explosion wurden 13 Menschen in den Tod gerissen und mehr als 200 schwer verletzt. Die rechtsextreme Szene konnte sich in diesen Jahren unbehelligt formieren. So explodierte im Februar 1980 die erste Rohrbombe der Deutschen Aktionsgruppe. Ziel war eine Ausstellung zum KZ Auschwitz. Es folgten 6 weitere Anschläge auf Behörden, eine jüdische Schule und Flüchtlingsheime in Esslingen, Hamburg, Zirndorf, Leinfelden-Echterdingen und Lörrach. Bei verschiedenen Razzien der Polizei konnten Mengen von Waffen und Sprengstoff beschlagnahmt werden. In einem Fall 35 Maschinenpistolen, 371 Gewehre und Handfeuerwaffen sowie 9 Granaten.

 

Betrachten wir bis zu diesem Zeitpunkt die rechte Szene, ist folgendes Fazit zu ziehen: Rechtsextreme Strukturen in unserer Gesellschaft existierten bereits in den 1950er Jahren und den Jahrzehnten danach. Nie wurden sie ernsthaft bekämpft. Scheinbar waren der Verfassungsschutz und das BKA allzu sehr auf den Linksterrorismus von RAF und andere linke Gruppen fixiert.

 

Die neue Rechte

 

Ende der 1990er Jahre hat sich das rechte Lager neu orientiert. Dabei ist der deutsche Rechtsextremismus, insbesondere in den neuen Ländern auf dem Weg zu einer neuen sozialen Bewegung. Er ist antikapitalistisch, sozial und national revolutionär und globalisierungskritisch. Zudem betont er in seinem Antiimperialismus den Antisemitismus. Die vergangenheitsbezogenen Themen werden verdrängt, dafür stehen sozial- und wirtschaftspolitische Forderungen. "Die soziale Frage ist das politische Schlachtfeld, auf dem sich die Zukunft der nationalen Opposition und damit des deutschen Volkes entscheidet", so glaubt der Historiker Jürgen Gansel, ein einflussreicher Vordenker der Rechten.

Weiter ist festzustellen: Die neue Rechte ist weder monolithisch noch ideologisch einheitlich ausgerichtet. Flexible Aktionsbündnisse und autonome Gruppen sind der Dreh- und Angelpunkt der dominierenden Rechten. Informell geplante Kampagnen und regionale Neonazi-Kameradschaften, vernetzt mit allen technischen Mitteln, statt formaler Hierarchie, bilden die neuen Strukturen. Eine Partei ist nicht mehr nötig. Ein NPD-Verbot darf deshalb nicht den Eindruck erwecken, als ob der Rechtsextremismus nur aus der NPD bestehe. Das NPD-Verbot ist ein Nebenkriegsschauplatz und löst nicht einmal im Ansatz die Probleme. Das Spektrum ist viel breiter.

 

Was die rechtsextreme Szene heute wirklich gefährlich macht, ist der neue Typ der sogenannten Autonomen Nationalisten (AN) neben den altbekannten Skinhead-Gruppen in der NPD. Ideologisch unterscheiden sich die AN nicht von dem Rest der Szene, aber vor allem durch ihr Äußeres: Sie kleiden sich modern und sportlich, mit ihren Kapuzenpullis und Turnschuhen sind sie kaum zu unterscheiden von anderen Jugendlichen oder linken Autonomen. Diese AN sind äußerst gewaltbereit, anders als viele andere Rechtsextreme kennen sie kaum taktische Zurückhaltung, sondern attackieren offen ihre politischen Gegner, Polizisten und Journalisten. Dabei fahren sie eine Doppelstrategie. In der Öffentlichkeit hantieren sie bei provokativen Aktionen mit NS-Symbolen und ähnlich Bekanntem aus der rechten Szene. Versuchen sie dagegen Jugendliche zu rekrutieren. machen sie niederschwellige Angebote. Eine Matratze für ein Treffen am Wochenende und dazu eine Kiste Bier und über Politik wird erstmals nicht geredet.

 

In ganz Deutschland gibt es mittlerweile Gruppen der Autonomen Nationalisten. Ihre Hochburg ist Dortmund, mit dem Hauptquartier in Dorstfeld. Mit der NPD haben die AN nur wenig Berührungspunkte. Lediglich als Geldgeber wird die Partei ab und zu genutzt. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an den 1. Mai 2009. An diesem Tag überfielen knapp 300 Neonazis aus dem AN-Spektrum die Maidemonstration des DGB. Mit geballter Brutalität zog der schwarz vermummte Nazimob prügelnd durch die Innenstadt. Neben den radikalisierten und verbürgerlichten Gruppen der AN auf der einen Seite des Spektrums erstarkten auf der anderen Seite die gemäßigten Rechtspopulisten. Diese geben sich bürgerlich-konservativ und hetzen aus vorgeblich freiheitlicher Motivation gegen den Islam, siehe Pro Köln, Pro NRW, Pro Deutschland u.a. Diese Islam- und Linkenhasser sind alles andere als ungefährlich, weil sie durch ihre Propaganda das Meinungsklima nach rechts verschieben und die ideologische Munition liefern für Attentäter wie Anders Breivik in Oslo.

Zwischen diesen beiden Polen droht die NPD, die in den letzten Jahrzehnten die Szene dominierte, regelrecht zerrieben zu werden. Seit dem Aufkommen der AN wenden sich immer mehr Kameradschaften von der Partei ab.

 

Die Gewalttätigkeit der AN bewegt sich auf einem Niveau, das neu ist für eine rechtsextreme Szene. Ihre Übergriffe sind meist sorgfaltig geplant. Sie spähen ihre Feinde aus, " Anti-Antifa-Arbeit" nennen sie das. Die Aktivsten sind oft nicht einmal zwanzig Jahre alt. Auf Wahlerfolge sind sie nicht aus, wie etwa die NPD und brauchen sich deshalb auch nicht zurückzuhalten. Gewalt ist aber nur die eine Seite der AN. Was sie dabei weiter geschafft haben, ist eine dynamische Jugendbewegung, die gleichermaßen modern wie nationalistisch ist. Inhaltlich sind die AN ganz alte Schule. Sie verehren Hitler und vergöttern seinen Stellvertreter Rudolf Hess. Das Programm der NSDAP gilt ihnen als Richtschnur. Äußerlich aber sind sie im 21. Jahrhundert angekommen und auf vielerlei Ebenen modern: sprachlich, technisch und optisch. Die rechte Jugendkultur ist in vieler Hinsicht lebendig mit einer fast unüberschaubaren Vielfalt an Musik- und Kleidungsstilen.

 

Der moderne radikale Rechtsextremismus ist nicht nur ein Problem im Osten. Er hat dort wohl ein großes Problem mit gewalttätigen Nazis. Doch der Westen holt auf. Weil Nazis im Osten zu lange unbehelligt blieben und alle Appelle über die Zustände vom Westen nur zögerlich aufgegriffen wurden, konnte sich hier eine erprobte und militante Szene etablieren. Ganze Landstriche wurden für Minderheiten im Osten zu No-Go-Areas und sind es im Wesentlichen geblieben. Den Westen hatte dies nicht interessiert. Entsprechend fielen auch politische Entscheidungen aus. Die Folge ist nun, dass die Kameradschaften und Ortsverbände im Osten so lange üben konnten, bis sie auch für den Westen fit waren. Und so erleben wir, wie sich der neue Rechtsextremismus im Westen ausbreitet.

 

In unserer Region, Wolfsburg, Gifhorn und Helmstedt gibt es rechtsextreme Strömungen, die wahrscheinlich und hoffentlich aufmerksam beobachtet werden. Dazu gibt es aber auch bei uns, bei Teilen unserer Bevölkerung, latente rechtsextremistische, rechtspopulistische, antisemitische und islamfeindliche Einstellungen. Diese zu ändern wäre eine wichtige Aufgabe und müsste durch eine zu entwickelnde Konzeption unter dem Arbeitstitel "Aufklärung und politische Bildung" erarbeitet werden.

Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass es eine durch die Hans-Böckler-Stiftung und Otto-Brenner-Stiftung finanzierte Studie gibt mit dem Thema: "Gewerkschaften und Rechtsextremismus". Diese zeigt: 19 Prozent der Mitglieder und 20 Prozent der Nicht-Mitglieder sind rechtsextrem eingestellt und vor allem gilt dies für Facharbeiter und qualifizierte Angestellte mit relativ gutem Einkommen und guter Bildung. Und das bedeutet, dass im Verhältnis auch ein Teil der betrieblichen Funktionäre wenig immun gegen rechtsextreme Ideen sind. Hinsichtlich der Vertrauenskörper in den Betrieben der Verwaltungsstelle Wolfsburg mag das vielleicht günstiger sein. Ausgehend aber von den Tendenzen in der Gesellschaft gibt es auch bei uns Defizite. So dass auch in unserer Organisation über "Aufklärung und politische Bildung" diskutiert und entschieden Wege zur Bekämpfung von Rechtsextremismus gegangen werden.

 

Walter Hiller

 

17.12.2012